Korruption, Machtmissbrauch und Seilschaften: Ist das das Wesen der österreichischen Kulturpolitik?

„Kultur ist der Rahmen, in dem wir gesellschaftlich relevante Themen mit künstlerischen Mitteln verhandeln. Dabei bekennen wir uns dazu, dass die daraus resultierenden Inhalte für alle Teile der Bevölkerung verständlich sein sollten – egal ob durch den eigentlichen Inhalt oder die damit einhergehende Vermittlung oder eine Mischung aus beidem.“ (Burstein 2022, S. 23). Mit dieser bahnbrechenden Definition von Kultur greift Autor Fabian Burstein die Probleme der Kulturlandschaft in Österreich auf und stellt diese mit seinem neuen Buch „Eroberung des Elfenbeinturms. Streitschrift für eine bessere Kultur“ ins Rampenlicht. Dabei unterstreicht er, dass nur mit einem klaren Kulturbegriff eine klare Zukunftsstrategie entwickelt werden kann. 

Auslöser für die Streitschrift

„[…] das Amt des ‚kulturpolitischen Sprechers‘ innerhalb der Fraktionen eher Strafversetzung als Vertrauensbeweis ist.“ (Burstein 2022, S. 40). Diese und noch weitere, laut Burstein, teils überspitzte Formulierungen und Darstellungen sorgen dafür, dass diese Streitschrift für die Reibungen innerhalb aber auch außerhalb der Kulturszene sorgt und so Probleme aufdeckt werden. Vor knapp 10 Jahren verließ Fabien Burstein Österreich um in Deutschland als Kulturmanager Karriere zu machen. Mittlerweile wieder in Wien zurück, hat er sich die kulturpolitische Bühne in Wien genauer angesehen, ein Bild, welches zum Teil für ihn zuvor unvorstellbar und undenkbar war. Die weit verbreitete Ämterkorruption war schlussendlich für ihn der Schlüsselmoment, etwas verändern zu wollen, so könne es sich nicht weitergehen.

Kulturpolitischer Diskurs

Sowohl auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene fehlt ein fundamentaler kulturpolitischer Diskurs. Man braucht nicht das kulturpolitische Segment zu reformieren, es fehlt an Kulturpolitiker:innen, welcher aus der Kulturszene kommen und mit Herzblut sich für die Belange der Szene einsetzen. Zudem, findet Burstein, dass die Entwicklung der sogenannten „Berufspolitiker:innen“, welche ein Leben lang ausschließlich Politik machen, als sehr fragwürdig. „Im Bereich der Kulturpolitik braucht es Politiker:innen die in ihrer Vita den Kunst- und Kulturbereich verankert hätten“, so Burstein. Allerdings Fabian Burstein auch positive Worte über Kulturpolitiker:innen unseres Landes. So hebt er die Staatssekretärin Andrea Mayer hervor, welche selbst zuvor Leiterin der Sektion Kunst und Kultur war und somit die Szene, aber auch die Verwaltung, gut kennt. Dies kann, so Burstein, ein großer Vorteil vor allem in Krisenzeiten sein, wenn der/die Entscheidungsträger:in über die Bedürfnisse des Kulturbereichs Bescheid weiß und so lösungsorientiert handeln kann.

Es benötige zudem wieder einen empathischen Diskurs, einen Diskurs, in dem die aktuelle Kulturlandschaft komplett neu gedacht und versucht wird, neue und innovative Wege zu gehen. „Denn die Wertigkeiten haben sich verändert“, erläutert er. Ein romantisches Hängen an der kulturellen Landschaft, wie wir sie bis dato kannten, wird nicht mehr funktionieren. Im Gegenteil: Es sollen neue Räume entstehen! „Aufgrund des fehlenden kulturpolitischen Diskurses befindet wir uns in einer fundamentalen Sinnkrise“, ergänzt Burstein. Offenbar geben uns genau diese Kultureinrichtungen keinen Halt in solch schwierigen Phasen. Wenn man die Häuser dann allerdings genauer betrachtet, fällt einem auf, dass sich zwar Umwelt und Gesellschaft verändert haben, aber die Spielpläne immer noch genau dieselben sind. Das entspricht nicht dem Wesen von kultureller Entwicklung: „Die Flüchtigkeit von Inhalten ist aber eine große Stärke: Sie ermöglicht, dass sich eine Kultursparte immer wieder neu erfindet und seine Inhalte dementsprechend neu ausrichten kann.“ (Burstein 2022, S. 31). Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zur Ermöglichung dieser „Flüchtigkeit“ von Angeboten ist die vor kurzem präsentierte Erhöhung des Kulturbudgets um 12 Prozent, was als ein positive Signal für die Kunst- und Kulturszene darstellt.

Kulturelle Bildung

„Es geht um nicht weniger als die Einführung kultureller Bildung als Querschnittsthema über den ganzen Lehrplan hinweg.“ (Burstein 2022, S. 76). Dabei gelten für Burstein die MINT-Fächer als Vorbild, welche aufzeigen, welcher Mehrwert dahinter steckt. „Sie sind jenes technologiegetriebene Biotop, aus dem große Social Networks wie Facebook, Twitter oder Instagram hervorgegangen sind. Das Problem ist nur: Es handelt sich eben nicht um ‚MINT Network‘, deren einwandfreie Funktionalität sich programmieren, errechnen, verkabeln und downloaden lässt – es handelt sich um SOCIAL Networks, die eigene Kulturtechniken mit jeder Menge Beziehungsarbeit hervorgebracht haben.“ (Burstein 2022, S. 76). Somit fordert Burstein ein Bewusstsein ein, dass jedes Fach über soziale und kulturelle Auswirkungen verfügt. Aus diesem Aspekt einer fehlenden kulturellen Bildung, schlussfolgert Burstein, dass „unser“ System unsere Kinder „indifferent, werteresistent, orientierungslos und verzweifelt macht“. Daher müsse man sich darauf konzentrieren, junge Menschen wieder für kulturelle Teilhabe oder gesellschaftliches Engagement zu motivieren, sollte den Fokus auf gesunde, selbstbewusste und freudvolle Individuen legen.

Ausblick

Abschließend wünscht sich Fabian Burstein in den nächsten zehn Jahren ein System, in dem die genialsten und wachsten Köpfe im Kunst- und Kulturbereich arbeiten. Es braucht wieder Menschen, welche die humanistischen Grundwerte verteidigen. Dazu muss nicht das System zerschlagen werden, sondern die „brennenden Herzen in dieses System“ integriert werden.

Das gesamte Gespräch: https://youtu.be/aJGnIVruFKg
Blog: Julian Bitsche