Das Grazmuseum mit Direktor Dr. Otto Hochreiter hat gesellschaftspolitische Themen entlang der Epochenräume in ihrer Ausstellung integriert. Damit wurde das Museum zu einem Diskursort für die breite Stadtgesellschaft. Nicht ohne Grund wurden sie auch aus diesem Grund für den Preis „European Museum of the Year Award“ im Jahr 2014 nominiert. Diese und noch viele weitere Themen haben wird in der 71. Ausgabe der Kulturkantine mit Dr. Otto Hochreiter besprochen.
Eine konsequente Entwicklung
Seit nun mehr 15 Jahren leitet Otto Hochreiter das Grazer Stadtmuseum. Rückblickend sagt er, dass das zunächst kaum im Fokus stehende Haus immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und nun zu den führenden Kultureinrichtungen in der Stadt Graz gehört. Mit 55.000 Besucher:innen im Haupthaus des Museums konnte man den Besucher:innenrekord konstant ausbauen. 2014 wurde zudem das Stadtarchiv integriert, eine Stadtarchäologieabteilung eingerichtet, die Folge: qualitativ hohe Sonderausstellungen. Die Entwicklung ist jedoch noch nicht zu Ende: Im Grazer Kulturjahr 2020 wurden mit neuen finanziellen Mitteln nächste Entwicklungsschritte möglich. Eine Vision wird zudem verfolgt: Die Tennenmälzerei in Graz-Reininghaus soll ein Industriemuseum werden.
Science to public
Damit ein das Stadtmuseum neben dem landeseigenen „Joanneum“ bestehen kann, muss es gesellschaftlich anschlussfähig bleiben. Das heißt, es muss den Ansatz „Science to public“ verfolgen und historische Themen niederschwellig vermitteln. So wurde unter anderem die unmittelbare Nachkriegszeit von Graz am Beispiel des Grazer Formel 1-Weltmeisters Jochen Rindt erzählt. Otto Hochreiter blickt jedoch nicht nur zurück, er will auch die Geschichte der Zukunft darstellen. Dies erfolgte unter anderem durch eine Ausstellung mit Plänen von Zukunftsstädten aus den 1970-er Jahren.
Erfolgsfaktoren eine städtischen Museums
„Dauerausstellungen bilden das Rückgrat eines jeden Museums“, beschreibt Hochreiter die Relevanz von Dauerausstellungen. Zu Beginn hatte das Grazmuseum eine sehr veraltete Dauerausstellungen. Nachdem 2010/2011 das Budget für eine Neukonzeption vorhanden war, wurde im Museum „aufgeräumt“ und anstatt einfach die schönsten Ausstellungsstücke zu zeigen, wurde die spannendsten Themen der Stadt entlang von Epochenräumen enmtwickelt. Das Museum wurde zu einem guter „dritten Ort“. Darunter versteht Hochreiter vor allem die Aufenthaltsqualität und ein fachlich hervorragendes Personal. Zudem ist die hervorragende Lage am Fuße des Schlossberges ein weiterer Erfolgsfaktor des Hauses.
Politisches Klima in der Stadt Graz
Abseits von den parteipolitischen Änderungen durch den Bürgermeisterwechsel von der ÖVP zur KPÖ, hat sich auch die Kulturpolitik verändert. So wurde das Kulturbudget für 2023 nicht erhöht und das bedeutet bei der aktuellen Inflation eine Kürzung von rund zehn Prozent. Die Stadt Graz hat sich in den letzten Jahren in zwei Lager gespalten. Dabei ist das größte Problem, dass diese zwei Lager kein Grundkonsens eint, was schlussendlich dazu führen wird, dass die Stadt irgendwann stecken bleibt. Ein weiteres Problem stellt die aktuelle Protestbewegung „Letzte Generation“ dar. Hochreiter begegnet ihnen mit klarem Unverständnis. „Wer den gesellschaftspolitischen Wert von Kunst und Kultur nicht begreift, dem ist nicht mehr zu helfen“, unterstreicht Hochreiter seine Position. Im Grunde ginge es den nur darum, Kunst und Kultur zu entwerten und damit den Wert der Natur zu erhöhen. Dadurch handeln die Akteur:innen allerdings autoritär und bewirken mit ihren Aktionen genau das Gegenteil. Falls im Grazmuseum ein solcher Vorfall der Zerstörung eintreten sollte, hat das Museum mittlerweile einen Handlungsplan entwickelt, um rasch darauf reagieren zu können.
Das gesamte Gespräch: https://youtu.be/RL19IVGX_QE
Blog: Julian Bitsche