Anbei einige Gedanken über den NEED einer Europäischen Kulturhauptstadt (Auszug aus einem umfangreichen Artikel für das Handbuch Kulturmanagement im 1. Quartal 2017).

Die Frage des „Needs“ muss im Kontext einer möglichen Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt nochmals verdichtet besprochen werden, denn diese Fragestellung wird immer wieder sehr kontroversiell diskutiert. Gerade in Vorarlberg leben wir in einer der reichsten Regionen der Welt. „Welche Bereicherung sie (die Europäische Kulturhauptstadt) für die Kulturschaffenden im Land (Vorarlberg) wäre, ist noch offen. Die Betroffenen jedenfalls sind davon bisher nicht durchwegs überzeugt und folgerichtig hat sich auch der Landeskulturbeirat ablehnend geäußert. Und schließlich ist noch die Frage zu klären, nach welchen Prioritäten die knapper werdenden Mittel der öffentlichen Hand eingesetzt werden. Baustellen gibt es genug, von der Förderung des heimischen Kulturschaffens abgesehen beispielsweise in der Bildungs- und Sozialpolitik.“, schrieb der ehemalige Bundesrat und Bundesminister Jürgen Weiss in einem Kommentar am 26.07.2016 in den Vorarlberger Nachrichten

(siehe: http://www.vorarlbergernachrichten.at/lokal/vorarlberg/2016/07/25/halbe-sache.vn#registered)

Diskussion über die Kulturhauptstadt 2024 in St. Pölten, Juni 2016

Diskussion über die Kulturhauptstadt 2024 in St. Pölten, Juni 2016

Zentraler Punkt einer erfolgversprechenden Bewerbung ist eine glaubhafte Antwort auf die Aussage:  Ja, wir brauchen diesen Titel. Es geht nicht darum, in einer Leistungsschau zu präsentieren, was man schon alles hat, sondern was man im Sinne einer erfolgreichen und nachhaltigen Kulturentwicklung braucht. Daher muss die Frage diskutiert und beantwortet werden, was in der Region derzeit nicht oder noch nicht zufriedenstellend funktioniert, welche Zielgruppen nicht oder noch nicht ausreichend angesprochen werden können etc. Das hat sehr viel mit Offenheit und Ehrlichkeit in der eigenen Einschätzung zu tun. Städte, die ihre Probleme und Schwierigkeiten auf diesem Sektor nicht offen behandelt haben, hatten von vornherein eine schlechte Ausgangslage. Das impliziert die Notwendigkeit, Menschen von außen rechtzeitig einen Blick auf die Bewerberstadt oder -städte werfen zu lassen. So wurde es auch im Dossier für eine mögliche Bewerbung der vier Städte Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Hohenems dargestellt.

Eine Bewerbung macht nur Sinn, wenn offen diskutiert wird.

  1. Dient die Europäische Kulturhauptstadt der Orientierung, kann sie sinnstiftend für die Menschen wirken? Was verbindet die Menschen? Fragen, die es in einem Beteiligungsprozess gemeinsam mit der Zivilgesellschaft zu erarbeiten gilt.
  2. Vorarlberg, insbesondere das Rheintal braucht einen Kulturentwicklungsprozess. Die Zerrissenheit der Städte, das Kirchturmdenken, hindert gemeinsame Strategien und Lösungen. Dies kann durch eine gemeinsame Initiative optimiert werden. Dabei gilt es auch Entwicklungspotenziale sichtbar zu machen und zudem kritische gesellschaftspolitische Entwicklungen (wie beispielsweise den Umgang mit Notreisenden oder Roma-Bürgern) aus kultureller Sicht zu betrachten.
  3. Durch einen gemeinsamen Prozess kann ein Kulturbegriff formuliert werden, der den Menschen per se viel mehr ins Zentrum der Wahrnehmung rückt und folglich auch den Zugang zu Kunst und künstlerisch-kreativem Schaffen erleichtert. Denn bekanntlich gilt: Wer selbst künstlerisch aktiv ist, wird sich auch als Konsument mit Kunst auseinandersetzen.

 

Foto: Copyright Kulturhauptstadt2024.at