Griechenland stellt 2021 nach Athen 1985, Thessaloniki 1997 und Patras 2006 zum vierten Mal eine Europäische Kulturhauptstadt. Den Zuschlag bekam die Industriestadt Elefsina im Herbst 2016, die auf Grund ihrer Nähe zu Athen und ihrem Image als Industriestadt die Jury mit einem kulturellen Veränderungsprozess überzeugen konnte. Die Hafenstadt Kalamata war neben der historischen Inselstadt Rhodos eine der unterlegenen Städte.

Mit dem jungen Ektor Tsatsoulis war ein sehr umtriebiger Grieche der Mastermind der Bewerbung von Kalamata. Tsatsoulis ist studierter Kulturmanager, war zuvor bereits für die Bewerbungen von Aberdeen 2017 und insbesondere als „Executive Director“ für die erfolgreiche Bewerbung von Paphos 2017 auf Zypern verantwortlich.

Stadt an der Peripherie

Kalamata war vor dem zweiten Weltkrieg eine weltoffene Stadt. Eine Stadt mit einem Bürgertum, das offen war für kulturelle Impulse. Bis in die 1980er-Jahre wurde die Stadt von der Landwirtschaft dominiert. Trotzdem, die Stadt wurde nie wirklich wahrgenommen. Auch nicht nach dem verheerenden Erdbeben 1986, das die Stadt nahezu vollständig zerstörte. Trotzdem gelang der Wiederaufbau. Ein Wandel setzte durch eine neue Autobahn von Athen ein. Es kam Bewegung in die Stadt. Die Fahrt von 8 auf zwei Fahrstunden reduziert, der kleine Regionalflughafen wird in den letzten Jahren immer mehr von internationalen Fluggesellschaften angeflogen, der Tourismus wächst. Der Bewerbungsprozess war die Chance der Stadt wieder eine eigene Identität als Stadt an der Peripherie, abseits der großen Zentren, aufzubauen. Das erkannte auch der die Stadtpolitik.

Schulterschluss mit der Bevölkerung

Die Politik müsse aktiv in den Prozess eingebunden werden, erläutert Tsatsoulis, sie müssen Botschafter der Idee werden. Eine Kulturhauptstadt brauche eine Vorlaufszeit von drei bis vier Jahren. Nur so können Netzwerke entstehen.

„Wir hatten schlussendlich 10 Monate Zeit die Bewerbung samt den Bewerbungsunterlagen vorzubereiten“, resümiert Ektor Tsatsoulis und ergänzt „dass wir mit mehr Zeit vermutlich einen breiten Konsens mit der Bevölkerung erzielen hätten können, was schlichtweg notwendig ist.“ Und insbesondere in Städten, wo der kulturelle Humus fehlt, müssen kreative und kulturelle Räume entstehen.

Kalamata war einzig und allein die Idee des (Ober)Bürgermeisters. Es gab keine öffentliche Debatte, keinen politischen Diskurs, keine Meinungsbildung durch die Bevölkerung. Und gerade mit Blick auf die Kosten einer Bewerbung, den nicht unbedingt positiven Erfahrungen von Thessaloniki und Patras, der Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes, war es nahezu unmöglich in dieser kurzen Zeit einen Schulterschluss mit der Bevölkerung herzustellen. „Kultur ist kein Luxus, sondern eine Investition in die Gesellschaft“, gibt Tsatsoulis allen künftigen Bewerberstädten eine Botschaft mit auf den Weg.

Nun, bald ein Jahr nach dem Finale, ist wenig geblieben. Es gab zahlreiche Anstrengungen internationale Netzwerke aufzubauen. Der von der Stadt Kalamata genehmigte Plan B, das Scheitern, dürfte nicht umgesetzt zu werden. “Es ist wie so oft. Städte, die verlieren, nützen das Wissen des Bewerbungsprozesses nicht”.

Der Artikel ist im Culturlab #1-Magazin erschienen.